Es gibt so gewisse Regeln einzuhalten, wenn dein Arbeitgeber beispielsweise beschließt einen Unternehmensblog einzuführen. Und es gibt sicherlich auch schon dutzende Artikel darüber mit klangvollen Titeln wie “12 Dinge, die ich lernte als ich für meinen Arbeitgeber bloggte” oder “20 Tipps wie auch du zu einem lässigen Agenturblog kommst”.
Ohne auch nur einen dieser Beiträge je gewissenhaft studiert zu haben, gab’s für mich bis dato nur diese eine Faustformel, die ich auf jeden Fall befolgen wollte, sollte es jemals soweit kommen:
» Lass’ dir von keinem jemals vorschreiben was und vor allem wann du zu schreiben hast! «
Und jetzt sitze ich hier - der süße Geschmack der Überheblichkeit und des Widerstands immer noch auf der Zunge - und versuche mich an einem Thema, das ich mir niemals auch nur ansatzweise hätte vorstellen können, geschweige denn ausgesucht hätte. Ich wollte doch eigentlich über Funktionale Programmierung, über JavaScript und TypeScript, über React, Vue und Svelte schreiben…
Wie konnte es also soweit kommen?
Ich arbeite seit 2013 als Senior Front-End Entwickler bei b.lateral. Und wenn wir das in Agentur-Jahre übersetzen, ist das schon eine sehr, sehr lange Zeit. Zum fünfjährigen Jubiläum also, wurde mir offeriert, ich könne mir einen Monat aussuchen, in dem ich mir eine Auszeit vom Agenturalltag gönnen solle. Als Dankeschön für fünf Jahre treue Zusammenarbeit. Bei vollem Gehalt.
Da biste doch erst mal platt, oder? Jedem, dem ich davon erzählte, reagierte verdutzt und manchmal auch etwas spritzfindig. Warum sollte ein Arbeitgeber einfach so mit Goodies um sich werfen? Was fällt denn dem ein? Wenn überhaupt, dann hat man bei solchen Anlässen gefälligst nur einen Geschenkekorb und einen feuchten Händedruck vom Chef zu bekommen! Und das dann auch nicht nach fünf (5) popligen Jahren, sondern nach 50 (fuffzig) Jahren treu ergebenen Dienstes!
Es ist doch schon seltsam, nicht wahr? Warum ist da immer noch dieser tief verwurzelte Argwohn, dass Arbeitgeber ihre Angestellten ständig über’s Ohr hauen, ausnutzen und nichts umsonst rausrücken? Schließlich wird einem ja nichts geschenkt und der Deal ist: Ich maloche und du gibst Geld. So haben wir das gelernt und so wurde das schließlich schon immer gehandhabt.
Sicherlich ist diese Art von Arbeitgeber immer noch häufig verbreitet. Stempeluhr, Zeitkonto, Tarifvertrag und Betriebsrat; alles inklusive. Und sicherlich gibt es auch noch viele Menschen, die sich gerne auf dieses althergebrachte System einlassen und darauf verlassen. Und am allersicherlichsten ist die Tatsache, dass, was sich hierbei sucht, auch findet.
Es entwickelten sich im Laufe der Zeit aber auch Unternehmen, welche den jungen und modernen Weg gehen. Hinfort mit den alten Zöpfen und konservativen Unternehmenswerten, frisch und frei hinein ins Getümmel und auf geht die Reise, hin zum perfekten Arbeitgeber (inklusive Awards)!
Nur dass wir uns von Anfang an richtig verstehen: ich bin der Meinung, den perfekten Arbeitgeber gibt es nicht. Auch wenn jedes zweite dieser Unternehmen das vielleicht von sich behauptet und nicht müde wird, das in jeder Stellenausschreibung zu betonen.
Es ist mir, mit Verlaub, erst einmal scheißegal, ob es einen Kickertisch (aka Tischtennis aka Spielekonsole) gibt. Oder eine Lounge mit kühlen Getränken, gemütlichen Sofas und glutenfreien Snacks. Es interessiert mich vorerst auch nicht, ob das obligatorische Feierabendbier gerne auch mal mit einer gemütlichen Grilllage im kollegialen Kreis endet. Verrückte Team-Events? Leider auch erst mal total unwichtig, sorry …
Bitte versteht mich nicht falsch, der pure Wille zählt und ich weiß eure Ambitionen zu schätzen! Aber ich möchte bitte nicht in künstliche soziale Gefüge gezwungen werden. Auch dieses unterschwellige Andeuten von familiären Vergleichen, die den Arbeitsplatz zu einem besseren Zuhause mit zusätzlicher SPA-Experience machen sollen, erzeugen bei mir ein kratzig-säuerliches Gefühl in der Speiseröhre.
Als potentieller, jungmoderner Arbeitnehmer möchte ich doch vielmehr wissen, ob und wie ich flexibel meine Arbeit ausüben kann. Gibt es die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten? Gibt es fortschrittliche Urlaubsregelungen? Regelmäßige Mitarbeitergespräche, anyone? Fort- und Weiterbildung und auch das monetäre Weiterkommen sind leider keine Nebensächlichkeiten, die mit Snackbox und FreeWiFi aufgewertet werden können.
Es klingt jetzt wahrscheinlich unglaubwürdig und vielleicht auch etwas scheinheilig, denn schließlich schreibe ich das hier ja unter der Marke meines Arbeitgebers: aber ich bin der aufrichtigen Meinung, dass wir bei b.lateral gelernt haben, weder den traditionellen Geben-Nehmen Weg einzuschlagen, noch den unsäglich hippen Agentur-Lifestyle zu zelebrieren.
Eine langjährige Zusammenarbeit wird belohnt und im Gegenzug belohnt der/die Mitarbeiter/in mit einer langjährigen Zusammenarbeit. So einfach kann’s gehen …
Flexible Arbeitszeiten werden auf Vertrauensbasis geregelt und nicht der Kontrollfunktion einer Stempeluhr überlassen. Im Gegenzug wird so auch die ein oder andere Stunde gerne (oder aus Versehen) mehr gearbeitet. Oder es wird meinetwegen auch ein Beitrag zum Agenturblog geleistet, der in vernünftigen Teilen in Arbeits- und Freizeit entstanden ist.
Ich würde das perfekte Verhältnis Arbeitgeber / Arbeitnehmer gerne als eine Art Partnerschaft verstehen; gleichberechtigt im Ansatz, nicht immer perfekt aber der Weg wird gemeinsam beschritten. Die Unternehmenskultur fußt auf stabilen Säulen wie Respekt, Dankbarkeit und Bescheidenheit. Visionen werden geteilt und vorangetrieben. Eine perfekte Symbiose, sozusagen.
Klingt kitschig, ich weiß. Dennoch glaube ich daran …
Es war ja eigentlich angedacht, dass ich über meinen Sabbatical-Monat schreibe und was ich in dieser Zeit gemacht habe: Also, ich habe ein denkmalgeschütztes Haus renoviert und das war voll anstrengend!
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P.S.
Wer sich für die Sichtweise eines Arbeitgebers interessiert und warum es wichtig ist, dass Unternehmen ihren Angestellten wirkliche und von Grund auf ehrliche Zugeständnisse machen sollten, darüber hat mein Kollege Markus einen schönen Beitrag geschrieben.