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Beyond Work

Die Feder ist mächtiger als das mikroelektronische Endgerät

17. Dezember 2021
Falco Böhnke

Frisch aus dem Studium und kaum ein Jahr im Beruf, das ist mein Werdegang zur Zeit. Obwohl ich in der Programmierung und im Backend arbeite und mich dort mit kryptischen Programmiersprachen und fantasievollen Datenbanken auseinander setze, hat doch ein unerwartetes Duo an Utensilien alt-ehrwürdiger Zeiten den Platz als wichtigstes Werkzeug eingenommen: Pen and Paper (nicht das Spiel).

Nun gibt es viele Studien die zeigen, dass man neues Wissen besser aufnimmt bringt man es mit Tinte auf getrocknete Pflanzenfaserplatten auf. Die praktischen und viel spürbareren Vorteile von P&P erwähne ich aber lieber.

Praktische Vorteile

Der größte, direkte Vorteil ist die schlichte Performance. Egal wie alt das Papier ist, es ist einsatzbereit sobald ich einen Stift gefunden habe. Da kommen selbst moderne Laptops kaum mit. Spontanes Meeting? Ich greif mir schnell ein Stück Papier. Kalender? Todo-Liste? Dafür brauch ich keine App, ich habe das Stück Papier! Kein herumfummeln mit Kabeln die unter Tischen verlaufen und den Rechner an Ort und Stelle fesseln, nur ein überzeugter Handgriff zum weißen Gold.

Dazu die Kompatibilität! Ob ich nun Frameworks wie Deutsch, Englisch, Mathematik, Kunst oder Wingdings verwenden möchte, sie alle funktionieren nativ ohne Leistungseinbußen und Workarounds. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, alles lässt sich nach Belieben kombinieren und anpassen. Man muss keine Fonts installieren, keine Lizenzen für spezialisierte Software kaufen und sich keinen Account machen!

Der Plan von der Planung

Gerade für Programmierer finde ich es heute deshalb wichtig sich Papier und Stift zu besorgen. In der Welt der agilen Entwicklung und rapider Prototypen erleichtern P&P die schnelle Planung unheimlich. Und planen sollte man: Sackgassen, Denkfehler und das große Ganze aus den Augen zu verlieren passiert schnell und oftmals unbemerkt bis es zu spät ist.

Eine gut geplante Software (da empfehle ich Unified-Modeling-Language Diagramme und Ablaufdiagramme) auf Papier erledigt dem Programmierer 80% der geistigen Arbeit und speichert sie für spätere Generationen. Solche Diagramme mit spezialisierter Software zu bauen ist aber zeitaufwändig, mitunter frustrierend weil es nicht tut wie es soll und unflexibel. Der Entwickler solcher Software hatte schließlich eigene Ideen über ihre Nutzung. User-Stories oder schnelle Kommentare zerschießen womöglich das schön aufgebaute Layout und ein Bild einzufügen grenzt an Wahnwitz. Nicht so bei Papier. Kein neues Stück Wissen ruiniert das Layout, kein Kommentar blockiert einen Zeilenumbruch.

Perfektionismus

Ich weiß nicht woran es liegt, aber der Spruch “Papier ist geduldig” trifft es. Bei Werkzeugen wie www.draw.io beispielsweise muss jeder Pfeil gerade sein.

Solcher Perfektionismus kostet Zeit und Nerven. Wenn sich Pläne, wie sie es immer tun, dann auch noch mittendrin ändern wird es zur Zeitfalle. Software wie diese verknüpft die Pfeile mit ihren Elementen. Verschiebt man nun eines dieser Elemente treffen die Seiteneffekte alle damit verbundenen Elemente! Kaum ist das passiert muss man vermutlich einen Großteil der Verbindungen reparieren, neu platzieren und anpassen. Viel Zeit für wenig Ertrag.

Auf Papier sind solche Korrekturen eine Kleinigkeit, denn selbst wenn es krumm und schief ist: Solange erkennbar ist was gemeint ist störe ich mich nicht daran. Es macht sogar Spaß. Chaos macht kreativ!

Außerdem kann man solche Diagramme auch auf Papier prototypen und es dann für Präsentationen und ähnliches mit spezieller Software aufbereiten. In diesem Fall: Form follows function.

Kollaboration

Ein Plan auf Papier lässt sich mit den Kollegen teilen, Kommentare und Korrekturen kann jeder mit einem Stift vornehmen und Peer Programming wird zu Peer Planning! Gut, da mag Papier etwas umständlicher sein als ein digitales Dokument an dem jeder gleichzeitig arbeitet. Auf der anderen Seite entdeckt man so auch ob alle Beteiligten das gleiche Ziel vor Augen hatten oder ob es Missverständnisse gab. Ist der papierne Plan bei jedem Kollegen ein völlig anderer ist es offensichtlich.

Letztlich kollaboriert man indem man Fotos von seinem Papier macht oder es einscannt. Man kann es sogar ohne Screensharing in einem Call teilen, dazu hält man es vor die Webcam. Einfacher und zuverlässiger geht es kaum.

Abschließend lässt sich sagen:

Digitalisierung ist die neue Lösung für viele alte Herausforderungen. Papier ist die alte Lösung für viele neue Herausforderungen die durch die Digitalisierung entstanden. Möchte man nur schnell etwas aus dem Kopf haben, einen aufwendigen Plan bauen oder ein wundervolles Kunstwerk erschaffen: Papier ist einfach, praktisch und papierisch gut darin flexibel zu sein!

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